Sonntags Zeitung
19 Februar 2017
UNO-Lehrer finden Hitler toll
Simon Widmer
Ein Bericht wirft Mitarbeitern des Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge Rassismus vor – die Schweiz unterstützt die Organisation aber weiterhin mit Dutzenden Millionen Franken
Genf Ghanem N. ist ein Fan von Adolf Hitler. Auf Facebook stellt er ein Bild des Führers mit ausgestreckter rechter Hand und kommentiert es mit «super nice». Auch Omar A. findet Gefallen am Nazi-Diktator. Er lädt ein Porträtbild Hitlers hoch, daneben steht auf Arabisch: «Ich hätte alle Juden der Welt töten können. Aber ich habe einige übrig gelassen. Sodass die Welt weiss, weshalb ich sie umgebracht habe.» Ahmad N. ist damit nicht einverstanden. Er kommentiert: «Es wäre besser gewesen, er hätte keine Juden mehr übrig gelassen.»
Die drei Antisemiten haben eines gemeinsam. Sie arbeiten für das UNO-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Das zeigt ein Bericht der Genfer NGO UN Watch mit dem Titel «Poisoning Palestinian Children» («Die Vergiftung palästinensischer Kinder»).
In dem 130-seitigen Papier hat die NGO die Facebook-Profile von UNRWA-Mitarbeitern ausgewertet. In 40 Fällen fand UN Watch menschenverachtende und antisemitische Äusserungen. Die meisten dieser Mitarbeiter arbeiten als Lehrer. UNRWA setzt einen grossen Teil seines Budgets von aktuell 736 Millionen US-Dollar für Bildung ein, betreibt 692 Schulen in der Region.
Der Bund spricht 75,5 Millionen Franken bis 2020
Das UNO-Hilfswerk wird grösstenteils von ausländischen Regierungen finanziert – auch von der Schweiz. Im letzten Jahr zahlte der Bund 26,5 Millionen Franken. Anfang Februar hat der Bund für die Jahre 2017 bis 2020 weitere 75,5 Millionen Franken gesprochen. Auch der Chef von UNRWA ist ein Schweizer: Der Genfer Pierre Krähenbühl leitet das Hilfswerk seit 2014. Mit Manuel Bessler ist ein Mitarbeiter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) Vorsitzender einer beratenden Kommission, in der die wichtigen Geberstaaten vertreten sind.
Dass Schweizer Steuergelder die Löhne von Rassisten und Hetzern finanzieren, hat auch das Aussendepartement (EDA) auf den Plan gerufen. Das Hilfswerk sei dazu verpflichtet, politisch neutral zu sein. «Das EDA nimmt die Vorwürfe der Neutralitätsverletzungen sehr ernst und hat die konkreten Vorfälle, welche im Bericht von UN Watch angesprochen werden, mit UNRWA aufgenommen», sagt ein Sprecher. «Wir erwarten von UNRWA, dass dieses seine internen Richtlinien gegen solche Verhaltensverstösse strikte anwendet und die entsprechenden Massnahmen gegenüber UNRWA-Mitarbeitenden, welche gegen diese Regeln verstossen haben, rigoros umsetzt.»
Die Frage, ob die Schweiz erwägt, die Beiträge zu kürzen, lässt das Aussendepartement offen. Es stellt sich aber weiter hinter das Hilfswerk. «Das EDA ist der Auffassung, dass UNRWA einen wichtigen Beitrag leistet, Perspektiven zu schaffen, das Risiko einer Radikalisierung junger Leute zu reduzieren und damit die Stabilität in der Region zu verbessern.»
Die Hilfsorganisation selber nehme die Vorwürfe «äusserst ernst», wie Sprecher Chris Gunness sagt. Die Anschuldigungen im Bericht würden nur einen kleinen Teil der Mitarbeiter betreffen. Diese seien keineswegs repräsentativ für die insgesamt rund 30 000 UNRWA-Mitarbeiter.
Bei Verstössen gegen die interne Richtlinie der politischen Neutralität würden Disziplinarmassnahmen eingeleitet. Diese bleiben aus Datenschutzgründen aber vertraulich. So bleibt offen, ob die im Bericht von UN Watch aufgeführten Personen noch angestellt sind. Zahlreiche der rassistischen Facebook-Posts sind weiter online einsehbar. Gunness wollte dazu keine Stellung nehmen.
UNRWA betreut insgesamt über fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge und ihre Nachkommen, die im Westjordanland und dem Gazastreifen, in Libanon, Jordanien und Syrien leben. Es ist nicht das erste Mal, dass das UNO-Hilfswerk wegen antisemitischer Äusserungen seiner Mitarbeiter in der Kritik steht. 2015 hat es Angestellte wegen rassistischer Facebook-Posts beurlaubt und Lohnkürzungen ausgesprochen. Bereits im Februar 2001 berichtete die deutsche Zeitung «Welt am Sonntag» von Schulbüchern mit dem Lernziel, Kinder zu Märtyrern im Heiligen Krieg zu erziehen. «Nimm dich vor den Juden in Acht, denn sie sind betrügerisch und unloyal», zitiert die Zeitung aus einem Schulbuch.